8 - Eugenik in der Propaganda des Nationalsozialismus - Historische und aktuelle Perspektiven [ID:2737]
50 von 658 angezeigt

Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Lisa, vielen Dank für die freundliche Einladung, sehr geehrte Damen und Herren. Ich freue mich,

dass ich diesen Vortrag hier bei Ihnen halten darf über die Eugenik in der Propaganda des

Nationalsozialismus, historische und aktuelle Perspektiven. Enhancement bedeutet Verbesserung.

In der modernen Medizin steht das Wort für Versuche oder auch für Ideen, die menschliche

Natur auch die Gesunde zu verbessern. Insbesondere heute individuelle Gebrechen oder Eigenarten zu

heben. To enhance heißt ja auch anheben. In historischer Perspektive, um die es jetzt geht,

ist die NS-Rassenhygiene das monströse Projekt eines Enhancements eines ganzen Volkes. Um diese

Rassenhygiene also und ihre Nachwirkungen bis in die gegenwärtige Diskussion wird es nun gehen.

Ich beginne mit einem aktuellen Fall, einem Phänomen, das Sie auch alle zur Kenntnis

genommen haben, nämlich der Bundestagsentscheidung von 2011, dass in Ausnahmefällen die

Präimplantationsdiagnostik erlaubt wird bei uns. In vielen anderen Ländern ist sie schon länger

erlaubt, bei uns ist sie schon erlaubt, allerdings die Ausführungsbestimmungen sind noch nicht in

Kraft. Nun, was hat das mit unserem Thema zu tun? Im Umfeld dieser Entscheidung, dieser umstrittenen

Entscheidung gab es auch Stimmen, die sagten, die PID ist der Weg in die Selektion und das Wort

Selektion hat in Deutschland einen Anklang an die NS-Zeit. Und dieser Anklang wurde auch sehr

deutlich thematisiert. Der Arzt, der nämlich diesen Vorgang überhaupt erst in Gang gebracht hat durch

eine Selbstanzeige, hat in einem Interview dann auch direkt darauf hingewiesen, als er gefragt

wurde, was unterscheidet die deutsche Debatte um genetische Diagnostik von der in anderen Ländern,

die eine liberalere Gesetzgebung haben, sagte er, die deutsche Vergangenheit spielt immer eine Rolle,

also die Selektion an der Rampe von Auschwitz. Aber, so fährt er fort, damit hat die

Präimplantationsdiagnostik nichts zu tun. Wir haben hier also das Phänomen einer sogenannten

Nazi-Analogie, die uns auch im Folgenden noch beschäftigen wird. Ich werde im Folgenden die

folgenden etwa 50 Minuten nach dieser Gliederung vorgehen. Zunächst einen Blick auf die

naturwissenschaftliche Medizin in ihrer Verbindung zur Ideologie nach 1900 werfen,

dann mich der NS-Rassenhygiene zuwenden und in einem letzten Abschnitt die schon erwähnte

Nazi-Analogie etwas systematischer betrachten. Ich beginne also mit dem Themenbereich naturwissenschaftliche

Medizin und Ideologie nach 1900. Was ist damit gemeint? Die Vorgeschichte des Nationalsozialismus,

eine schon problematische Begriffsprägung. Die deutsche Geschichte ist sehr kompliziert

und ein Zeitzeuge, kein geringer, nämlich Thomas Mann, hat hier eine Verkettung fantastisch

unglückseliger Umstände gesehen. Damit ist gemeint der Weg in das Dritte Reich, der rückschaunt

kausale Ketten aufweist, deshalb auch die Verkettung, ist gleichwohl eine unwahrscheinliche

Verkettung gewesen und das soll dieses kurze Wort von Thomas Mann ausdrücken. Es gibt eine

Kausalität, aber bei dieser Entwicklung ist auch sehr viel Unglück dabei. Wenn es sich nicht um

eine so wichtige Angelegenheit handelte, könnte man von Pech reden. Es hätte auch anders kommen

können als es gekommen ist. Nun diese komplizierte deutsche Geschichte hat auch ausländische

Beobachter, zeitgenössische, zu einigen treffenden Formulierungen bewegt, etwa den bekannten australischen

Bioethiker Peter Singer, der in seiner praktischen Ethik diesen Satz eingefügt hat. Natürlich ist

die Vergangenheitsbewältigung für die Deutschen immer noch mühevoll und die deutsche Geschichte

ist so geartet, dass sie rationales Verstehen fast übersteigt. Wollen wir uns einmal den Weg

Deutschlands nach 1900 kurz zuwenden im Hinblick auf unser Thema? Zunächst unter dem Kapitel

Politik, Kultur, Wirtschaft, Ideologie. Ein weites Feld für wahr, das ich hier in aller Kürze nur

skizzieren möchte. Das Wilhelminische Kaiserreich war nach der Gründung 1870-71 eine

Erfolgsgeschichte, ein Machtstaat, der von seinen staatstragenden Schichten sehr geschätzt wurde

und durch die Niederlage im ersten Weltkrieg 1918 brach diese Welt buchstäblich zusammen und zwar

persönlich, weltanschaulich, wirtschaftlich, sozial, aber auch wissenschaftlich. Mit anderen

Worten, diese Niederlage hinterließ viele Verlierer im wahrsten Sinne des Wortes individuell,

aber auch ganze gesellschaftliche Gruppen waren davon betroffen. Insbesondere auch die Elite,

also Universitätsleute, das Bürgertum, waren durch diese Niederlage im Kern getroffen,

betroffen auch und die dann gegründete Weimarrepublik war im Grunde mit schweren

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:15:19 Min

Aufnahmedatum

2013-01-24

Hochgeladen am

2013-02-01 14:01:54

Sprache

de-DE

Seit etwa 1900 bildete sich in Europa die „Eugenik“ heraus, die in Deutschland als „Rassenhygiene“ konzeptualisiert wurde. Sie zielte im Sinne von Züchtungsutopien auf eine Verbesserung der „Erbanlagen“ und verband sich mit nationalistischen und „völkischen“ politischen Strömungen. Namhafte Vertreter der naturwissenschaftlichen Medizin waren nach dem Schock des verlorenen Ersten Weltkriegs bereit, im Interesse der Wiedergewinnung der deutschen Machtstellung ein Programm zu entwickeln, das vom NS-Regime bereitwillig aufgegriffen wurde. Hierbei spielte eine bis in den Schulunterricht getragene Gesundheitspropaganda, die eindeutig die Ausgrenzung und Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ thematisierte, eine wichtige Rolle. Das Beispiel der NS-Eugenik wird bis heute in bioethischen Debatten argumentativ verwendet, um Gefahren und Risiken herauszustellen bzw. durch eine „Nazi-Analogie“ bestimmte Entwicklungen zu diskreditieren.

Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen